Einmal Schwarzes Meer und zurück.

Die immer wieder aufkommende Reiselust muss ja auch zwischendurch befriedigt werden, oftmals ist die Reise dann aber leider viel kurz. Und trotzdem gibt es von solchen Reisen immer wieder Einiges zu berichten:

Unser „Ältester“ macht sein Erasmus-Semester in Warschau. Ein guter Anlass, einmal über die Fahrtrichtung Osten nachzudenken. Warum nicht mal kurz an das Schwarze Meer? In der Osterwoche geht es los: Mit Zwischenstopp am Hannoveraner Büro und auf einer polnischen Autobahnraststätte (übrigens immer mit verdammt sauberen Sanitäranlagen), im mittäglichen Verkehr Nils in Warschau eingesammelt und weiter in Richtung Südosten zur ukrainischen Grenze, eine spannende Region vor uns.

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Nach der Übernachtung in Grenznähe gestaltet sich die Ausreise aus Polen kurz und bündig, die Einreise in die Ukraine dafür etwas anspruchsvoller: Nach rund dreieinhalb Stunden im Grenzbereich wurde dann auch die Prozedur des nicht Standard-Campers abgeschlossen und letztlich, Dank einem offenen, ukrainischen Grenzbeamten mit Basis-Englisch gelöst, es ging im Wesentlichen um die gewichtsabhängige Strassennutzungsgebühr.

Die erste Nacht in der Ukraine auf halbem Wege zwischen der Grenze und Kiew, ein erstes Kernkraftwerk am Horizont, (noch) trübes Wetter und Wald, Wald, Wald prägen unsere ersten Eindrücke. Die Beschaffung von Bargeld (Hrywnja oder UHA) und Mobilfunkkarte knüpft erste Kontakte: alles ohne Englisch und einmal mehr zufällig auch auf Deutsch, weil ein anderer Kunde im Mobilfunkladen nur ein paar Kilometer von unserem Haus entfernt in Essen gelebt hat. Irgendwie regelt sich vieles, wenn man unterwegs ist.

Und dann Kiew: leider ist der Stellplatz aus iOverlander nicht mehr zu nutzen, ein wenig google´n führt uns dann zu Pavel, der im Sommer einen interessanten Campingplatz auf einer Insel im Fluss Dnepr betreibt. Mit Gästen hat er so früh im Jahr nicht gerechnet, darum organisiert er direkt einen Platz an einem Partner-Hotel. Alles schön mit typisch osteuropäischem Scharm vor und mit Zerfall der Sowjetunion. Persönlich kommt er mit dem Bus zu uns und führt uns mit dem Camper durch die Stadt. Da Pavel auch noch eine Reiseagentur betreibt, bekommen wir eine Menge interessanter Tipps für die Ukraine-Rundreise. Nochmal Danke dafür! Kiew selber präsentiert sich als interessanter Mix moderner Hauptstadt, jüngerer Geschichte um den Majdan und sozialistischer Historie. Alles noch sehr erlebbar. Wenn Männer alleine reisen, haben sie die Reise nicht so richtig geplant: So ist Tschernobyl kurzfristig nicht zu buchen und für die Oper hatten wir leider nicht die passende Kleidung. Unbedingt daran denken! So muss Nils leider im Nachgang unserer Reise noch einmal von Warschau nach Kiew fliegen, um beides nachzuholen.

Die Weiterreise von Kiew führt uns dann auch direkt zu den ersten Tipps von Pavel: den wirklich tollen Park von Uman (ungefähr auf halbem Wege zwischen Kiew und Odessa) und die ehemalige, inzwischen zu besichtigende SS-18 Atomraketenstation bei Pobuzhskoe. Der Kalte Krieg ist hier real zu besichtigen. Nach den Raketensilos geht es dann über sicherlich noch zu entwickelnde Straßen weiter nach Südosten bis an die Küste des Schwarzen Meeres.

Kurzer Exkurs zu den Straßen: Alle Hauptverkehrsadern in der Ukraine und auch später in der Republik Moldau sind sehr gut, manchmal scheinen sie angesichts des tatsächlichen anzutreffenden Verkehrs arg überdimensioniert. Wenn man diese Straßen verlässt, weil man etwa „quer abkürzen“ will, geht die durchschnittlich je Stunde zurückgelegte Strecke allerdings deutlich zurück. Die Straßen sind schlecht bis sehr schlecht.

Entlang der Küste des Schwarzen Meeres führt unser Weg Richtung Westen nach Odessa, wo wir bis zu drei Tage Aufenthalt planen. Wie immer stellt sich die Frage, wo übernachten? iOverlander und die Suche im Netz hilft in Odessa nicht. So verschlug es uns auf einen bewachten Hof mit den typischen Garagen mit Metalltoren in der Nähe der osteuropäischen Plattensiedlung. Alt, hoher Instandhaltungstau, aber ohne Müll und mit freundlichen Menschen und für umgerechnet 1 Euro die Nacht. Und Uber bringt uns verlässlich für ca. 3,50 Euro in die Stadt. Odessa selber: Klasse! Schöne Gassen und Häuser, tolle Architektur nicht nur die Oper, der Flair einer Hafenstadt, modern (nicht nur durch Häufung neuster Oberklasse-Fahrzeuge), vielfältige Restaurants und die Militärkapelle spielt auch noch auf.

Die Weiterfahrt führt an der Küste entlang weiter nach Westen, zwischendurch noch einen Abstecher zur sehenswerten Festungsanlage Akkerman in Bilhorod-Dnistrowskyj. Die abendliche Stellplatzsuche immer näher an den Strand heran endet für uns dann zu tief in richtig nassem Sand und genau in dem Moment ist dann der zuschaltbare Allradantrieb nicht mehr zur notwendigen Unterstützung zu bewegen. Jedoch findet sich nach einiger Zeit ein Radlader, dessen Fahrer die Bergung wohl zu seinem (nach ukrainischen Verhältnissen) persönlichen Cash-Event des Jahres gemacht hat. Klar, auf der Verdienstkette gibt es ja auch noch viele Vermittler. Richtig ernüchternd ist aber, dass die Helfer sich mit dem Gruß aus Deutschlands dunkelster Zeit vorstellten und auch wieder verabschiedeten und das Problem, das wir damit haben, überhaupt nicht verstehen.

Von der Küste aus fahren wir dann nach Norden und wollen dabei die Republik Moldau eigentlich nur durchreisen. Von den drei Tagen bleibt nicht die Hauptstadt Chișinău, sondern ein wirklich interessantes Land in Erinnerung: schöne Landschaften, moderne Weingüter (zum Beispiel etcetera in Crocmaz) und viele davon auch mit richtig viel Historie, wie die Staatsdomäne Mileștii Mici.

Grenzübertritte können wir ja jetzt, erfolgt doch nach dem Übergang Ukraine/Republik Moldau wieder die Einreise aus Moldau in die Ukraine. Gerade an einem kleinen Grenzübergang geht alles ein Stück geschmeidiger und wir haben von Anfang an einen ukrainischen Beamten, der sich der ganzen Prozedur persönlich annimmt.

Im Westen der Ukraine steht neben der beeindruckenden Burganlage von Chotyn
jetzt noch insbesondere Lwiw (oder auch Lemberg) auf dem Programm. Als Parkplatz greifen wir wieder auf einen Tipp von Pawel zurück: mitten hinein in die Stadt und mutig an allen Verbotsschildern vorbei direkt auf den Parkplatz des Hotels Dnister. Hier stehen wir bewacht, fußläufig zur Innenstadt und nach einer getroffenen Entscheidung des Hotelmanagements sogar kostenlos. Lwiw selber ist toll: sehr vergleichbar mit Krakau, nur touristisch nicht so überlaufen, durch die Universität jung und schon ein bisschen international, viel alte Bausubstanz und unbedingt für einen Besuch zu empfehlen! Nach einer Übernachtung in Grenznähe geht es dann zurück in die EU und nach Polen. Der Grenzübertritt dauert dann doch etwas länger: 4,5 Std. mit erst einmal mürrischen ukrainischen Beamten, die wieder nicht ganz mit der Zuordnung des Fahrzeuges in die richtige Reihung in dem sehr vollen und kapazitätsmäßig überforderten Übergang zurechtkommen. Aber immer schön auf andere Beamte „dort hinten“ verweisen, die gesagt haben, das wir uns genau an dieser Stelle anstellen sollen 😉 Auch auf polnischer Seite erleben wir eine sehr langsame Abwicklung mit Liebe zum Detail. Als letzten Aufenthalt in Polen dann noch Krakau: Die Stadt am Abend und auch am folgenden Tag ist nett. Allerdings ist Krakau auch touristisch bereits sehr überlaufen. Gefühlt werden gerade in Italien massive Marketingkampangnen gefahren. Italienische Reisegruppen treten in Mengen auf, wie es sonst eigentlich nur asiatische Reisegruppen in Heidelberg tun. In Krakau erfolgt dann auch die Trennung unsere Kleinst-Reisegruppe: Nils mit dem polnische Flixbus zurück nach Warschau zum Semester-Endspurt, Peter mit einer Übernachtung bei Dresden zurück in die Heimat mit rund 5.000 km mehr auf dem Tacho, wobei die Entfernung Deutschland bis zur ukrainischen Grenze davon etwa die Hälfte füllt.

Wieder haben wir eine interessante Reise hinter uns. Länder und eine Region, die man so gar nicht auf einer klassischen Reisezielliste hat. Eine nennenswerte Touristenhäufung mit Ausnahme Krakau: Fehlanzeige.

Ist jetzt doch alles etwas länger geworden mit dem Kurzbeitrag. In ein paar Tagen geht es jetzt dann Richtung Norden: Helsinki, Nordkapp, Murmansk mit Kola-Halbinsel, Karelien und St. Petersburg zurück.

Und auch an dieser Stelle der Dank an Nils für die gemeinsame Zeit und die sicherlich für ihn nicht immer einfache Fahrt mit seinem Papa.

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