Baltikum2016.

Einen Herbst-Kurztrip in das Baltikum, das hatten wir uns schon früh in diesem Jahr vorgenommen. Unsere Reisen nach Island gewöhnten uns ja (zum Leidwesen des einen oder anderen Familienmitgliedes) schon an nicht ganz so hohe Temperaturen. Doch andere Aspekte bewogen uns, das Baltikum zu besuchen: Die politisch, wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung in Estland, Lettland und Litauen gerade in den letzten Jahren machen neugierig. Darüber hinaus habe ich mit einem Freund im letzten Jahr auf einer Segelreise von Danzig über Klaipeda und die Küste nordwärts bis Ventspils sonnigste Tage und wunderschöne Küsten in guter Erinnerung. Der letzte Auslöser dann der doch äußerst attraktive Preis einer An- und Abreise per Fähre ab Travemünde. Ach ja, dann da noch die Neugier auf Kaliningrad …

Doch alles der Reihe nach, liegen doch einschließlich Anfahrt nach Travemünde rund 3.100 Reisekilometer vor uns.

baltikum2k16

Pünktlich zu Ferienbeginn unsere mobile Wohnung startklar gemacht, diesmal mit Frederike und Justus im Gepäck. Um die Ferien zu nutzen und die Fähre am Sonntag entspannt zu erreichen, fuhren wir bereits am Samstag los, vor uns lag ein schöner Abend und Sonntag Morgen in Lübeck. Es gibt einen ausgewiesenen  Stellplatz an den Media Docks direkt an der historischen Altstadt. „Lage, Lage, Lage“ ist eben nicht nur bei Immobilien entscheidend. Nett auch noch der spontane Kurzbesuch der explorer-Redaktion bei uns mit etwas Lesestoff für die Reise. Die Redaktion liegt fussläufig zum Stellplatz und irgendwo hatte ich den Steyr ja schon mal gesehen.

Am Sonntag Nachmittag ging es dann zur Fähre nach Travemünde, dieses Mal mit anderem Ziel als in der Vergangenheit: Liepāja in Lettland anstatt Trelleborg und Bornholm. An Bord finden wir dann auch alles etwas rustikaler vor, als wir es von der TT-Line-Fähre oder von Island her kennen: Die Fähre eher klein, schon rund 40 Jahre auf dem Buckel und klar adressiertes Kundensegment ist der osteuropäische LKW-Fahrer. Aber: freies WLAN, drei (nicht nur von der Menge her kundensegmentspezifische) Mahlzeiten inklusive und Kabine mit Meerblick. Und das ganze in einem wirklich attraktiven Preis-/Leistungsverhältnis. Die rund 27 Stunden Fahrzeit gingen schneller um als gedacht, auch wenn mitreisende weibliche Familienmitglieder die angebotenen Speisen, das Ambiente des Schiffes und die (wirklich nur leicht) rollende Fähre nicht in Einklang bringen konnten. Ankunft in Lettland um Mitternacht. Darum nur nach Süden heraus aus der Stadt und den ersten Stellplatz direkt am Meer auf einem im Herbst/Winter geschlossenen Campingplatz gefunden. Die verlangten Gebühren hielten sich mit 5 Euro auch in Grenzen.

Weiter über Klaipėda (dem ehemaligen Memel und bis 1920 Deutschlands  nördlichste Stadt) mit Besichtigung der Altstadt, ging es auf die kurische Nehrung bis Nida. Vieles erinnert dabei an den klassischen Schweden-Urlaub: Viel feiner Sand, Kiefern, Dünen und Meer und bunte Holzhäuser. Nida, Haff und Nehrung sind auf jeden Fall ein Reise wert und gehört damit in jede Reiseplanung Litauen.

Von Nida aus fuhren wir weiter „in den Süden“. Wir hatten ja auch zwei Tage in der russischen Exklave (Oblast) Kaliningrad geplant. Also, über die russische Reiseagentur ihres Vertrauens ein normales Visum für alle Vier besorgt, die Versicherung des Fahrzeuges sichergestellt (auf der normalen grünen Versicherungskarte ist RUS ausgeschlossen), D-Schild am Fahrzeug nicht vergessen und auf die Einfuhrbestimmungen für Lebensmittel schauen. Danke nochmal an Jessi und Jens für den Austausch vorab.

Die Ausreise EU und Litauen und Einreise Russland: Dauer ca. 1:45 Std an dem fast leeren Grenzübergang von Nida-Neringa nach Morskoje, an dem zur Sicherheit überhaupt kein Englisch oder Deutsch gesprochen wird. Alles verlief jedoch problemlos und generell ist unsere Einreise mit einem stärker frequentierten Übergang sicherlich nicht zu vergleichen. Weiter ging es ca. 90 km nach Kaliningrad hinein. Die durchfahrenen Dörfer, Straßen und Menschen zeichneten ein anderes Bild, als wir es aus Litauen und Lettland mitgenommen hatten. Unsere ersten Russland-Eindrücke deckten sich eher mit dem Erwarteten. Für den Stellplatz in Kaliningrad folgten wir Empfehlungen vieler WoMo-Reisenden und fuhren das Hotel Baltic an. Hinter dem Hotel mit seinem eigenen russischen Charme standen wir direkt am Mühlenteich. Platz und Lage prima. Duschen im Hotel kann man machen, muss man aber nicht.

Die Stadt selber haben wir uns nach kurzer und günstiger Taxifahrt erlaufen. Irgendwie schwang dabei immer die Geschichte im ehemaligen preußischen Königsberg mit: die Universität, die den Namen des bekannten Lehrenden Immanuel Kant trägt, sei es der Park am Ort der vollständig zerstörten Innenstadt am Königsberger Dom, das nie fertiggestellte Haus der Sowjets oder der deutsche Kommandobunker aus den letzten Kriegstagen, der als Besichtigungshighlight präsentiert wird. Vielleicht hat der Herbst und das trübe Wetter einiges zum tristen Eindruck der Stadt beigetragen, trotzdem ist Kaliningrad ein Muss. Gerade auch wegen der Strecke am nächsten Tag: erst Richtung Osten, dann abzweigend nach Nordosten zum Grenzübergang Panemune / Sovetsk. Zwischendurch (für uns typisch) russische Dörfer mit kleinen Läden und Kirchen, Kriegsdenkmälern, Bäckereien mit warmen Köstlichkeiten und netten Menschen.

Die Ausreise dauerte dann etwas länger: an dem kleinen Grenzübergang kam man mit unseren (Einreise-)Papieren und dem Fahrzeug nicht so zurecht. Wir verstanden, das wir als Alternative hier ausreisen dürften oder zu unserem Einreiseort zurückfahren müssen, „man wird sehen“. Ein herbei beorderter, freundlicher Grenzbeamter sprach ein wenig Deutsch und managte den Prozess auf seine Art. Was jetzt das Problem war, erschloss sich uns nicht wirklich. Aber irgendwie war dann alles passend, man darf nur nicht versuchen, alles zu verstehen und muß sich einfach drauf einlassen (insbesondere der Verfasser dieser Zeilen). Nach der obligatorischen Fahrzeugdurchsuchung wurde die ganze Familie mit Handschlag verabschiedet und über die Memelbrücke nach Litauen entlassen. Nach etwa zweieinhalb Stunden waren wir dann wieder in der EU und Litauen.

Weiter ging die Reise hinter der Grenze direkt nach Osten entlang der Memel. Nicht nur dieser Weg ist unbedingt empfehlenswert, auch der Zwischenstopp in Kaunas. Bei unserer Reiseplanung wollten wir aus Zeitgründen auf eine der Hauptstädte Tallinn, Riga oder Vilnius verzichten. Getroffen hat es nach der Bewertung verschiedener Empfehlungen dann Vilnius, darum ging es für uns weiter nach Nordosten Richtung Lettland und den östlichsten Punkt unserer Reise einer Übernachtung nördlich von Karsava. Von hier aus dann am Folgetag mit rund 400 km durch das Hinterland von Lettland und Estland bis nach Tallinn.

Tallinn, für das man sich mindestens einen Tag einplanen sollte und auch einen Abend in der historischen Altstadt dazu. Empfehlenswert sind dann auch gerade nicht die Haupttouristenplätze in der von einer Stadtmauer eingeschlossenen, wunderschönen Altstadt. Bewusst einmal die kleineren Gassen innerhalb und außerhalb der Stadtmauer durchstreifen mit interessanten Restaurants und kleinen Innenhöfen. Als Stellplatz haben wir der Einfachheit halber die empfohlene Möglichkeit genutzt, im alten Olympia-Segelhafen zu übernachten. Gut angebunden mit dem Taxi in maximal 15 Minuten bis zur Altstadt.

Nach Tallinn sind wir dann über Haapsalu, ein im Sommer sicherlich stark besuchter, sehr schöner Küstenkurort, weiter auf die Inseln Muhu und Saaremaa. Aus der Rückbetrachtung ein Muß einer jeden Estland-Reise! Mit der häufig verkehrenden Autofähre und einer rund einstündigen Überfahrt zwischen Virtsu und Kuivastu kommt man auf wirklich sehenswerte Inseln, die auch mehr als eine Übernachtung lohnen. In unserer Erinnerung bleibt sicherlich der auf Muhu gelegene alte Fischerort Koguva: ein normal bewohntes Dorf, gleichzeitig aber Freilichtmuseum mit einer Reise in die Vergangenheit. Auf Sarremaa direkt am Meer übernachtet. Freies Übernachten war übrigens problemlos auf der ganzen Reise möglich. Nur in Kaliningrad, Tallinn und Riga haben wir die ausgewiesenen Stellplätze genutzt, um nah an der Innenstadt zu stehen.

Von Sarremaa mit einer Zwischenübernachtung in einem Kiefernwald in Strandnähe am Rigaer Meerbusen ging die Weiterfahrt direkt nach Riga. Die Hauptstadt Lettland´s lockt wieder mit historischer Altstadt (fußläufig erreichbar vom Stellplatz an dem kleinen Messegelände), einer Menge Geschichte in einem jungen, aufstrebenden Land. Auch für Riga empfiehlt es sich, mindestens einen Tag vorzusehen, insbesondere die alten Zeppelinhallen mit den Märkten zu besuchen und auch den Abend in der Stadt zu verbringen.

Von Riga sind wir noch ein Stück der Küste nach Westen gefolgt, dann vor unserer letzten Übernachtung quer über Land zur Westküste Lettland´s. Dabei haben wir als Zwischenstopp Kuldīga besucht. Bietet der spannende Ort doch, neben dem mit 275 m Europas breitesten, aber einer Fallhöhe von rund 2 m nicht wirklich beeindruckenden Wasserfall, von der Architektur her noch richtig viel Potenzial: viele alte Bauten und tolle Architektur, die schon viel bessere Zeiten gesehen haben. Aber erste Restaurierungen zeigen, was perspektivisch hier wieder für ein sehenswerter Ort entsteht, sind erst einmal die Spuren von Zeit, Wind und Wetter und Sozialismus verwischt.

Nach einer letzten Übernachtung zwischen Kiefern, verlassenen, ehemals militärisch genutzten Gebäuden an den sandigen Hängen des Ostseestrandes, dann noch in einer rund einstündigen Fahrt nach Ventspils und unserer Fähre zurück nach Travemünde.

Alles in allem haben wir auf dem Baltikum im touristenfreien Herbst eine schöne gemeinsame Zeit verbracht und Eindrücke von spannenden Ländern gewonnen. Das verlangt sicherlich nach Mehr. Gerade mit der entspannten Fähranreise und den eher geringen Entfernungen in den Ländern empfiehlt es sich, unbedingt die drei (oder vier) Länder zu bereisen. Mit ein wenig Planung verspricht die Reisezeit Frühjahr bis Herbst bestimmt drei tolle Wochen mit vielfältigen Eindrücken, die man mit nach Hause nimmt.

Und zum Abschluss wieder Bilder auf unserem wolffontour-instagram, in einer etwas anderen Auswahl im bei mir unvermeidlichen EyeEm-Fototagebuch und wieder ein kleines Video aus der Fahrerperspektive unter wolffontour-vimeo. Weiter gilt: bei Fragen zu Stellplätzen, der Ein- und Ausreise Kaliningrad oder anderen Details, einfach melden.

Wir sind jetzt mal selber gespannt, wohin unsere Planungen uns dann im nächsten Jahr führen …

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